Ghana's Regionen - Accra Region

Sargmacher

Die Sarg-Kunst in Ghana stellt eine regionale Sonderform des Sarg-Schreinerns dar, bei der die Verstorbenen vor ihrem Tod die Sargform bestimmen können. Die im Süden Ghanas lebenden Ga verwenden bei ihren Beerdigungen so genannte „figürliche Särge“. Diese Särge werden außerhalb der Region auch „fantasy coffins“, „design coffins“ oder „fantastische Särge“ genannt.

Das Verwenden solcher Särge hängt eng mit der Religion und den Jenseitsvorstellungen der Ga zusammen. Der Tod bedeutet für sie kein definitives Ende, sondern das Leben geht nach ihrer Vorstellung im Jenseits ähnlich weiter wie auf Erden. Die Verstorbenen sind als Ahnen einflussreicher als die lebenden Menschen und steuern in ihrer Verwandtschaft. Die Familien versuchen so den Geist des Toten wohlwollend zu stimmen. Dessen gesellschaftlicher Status im Jenseits hängt weitgehend von der Größe, vom Erfolg sowie vom Einsatz eines exklusiven Sarges während einer Bestattungsfeier ab.

Die Särge sind nur am Beerdigungstag sichtbar, sie kommen mit den Toten ins Grab. Die Möglichkeiten des Sarges sind aber beschränkt oder vielmehr vorbestimmt. Figurensärge beziehen sich oft auf den Beruf des Verstorbenen und sollen ihm helfen, im Jenseits seiner irdischen Tätigkeit weiter nachzugehen. Ein Schwert- oder Stuhlsarg ist eine königliche oder priesterliche Insignie mit magisch-religiöser Funktion für Menschen mit einem entsprechenden Status. Tiere stellen Klan-Totems dar, wie der Löwe, der Hahn oder die Krabbe, und steht nur Oberhäupter der entsprechenden Familien zu. Schließlich weisen viele Sargmotive auf Sprichwörter hin, die von den Ga unterschiedlich interpretiert werden. Die figürlichen Särge werden in der Region von Greater Accra seit etwa 1950 vor allem von der ländlichen, traditionell gläubigen Bevölkerung benutzt und gehören heute zu einem festen Bestandteil der lokalen Beerdigungskultur.

Die figürlichen Särge werden von den Ga für Beerdigungen verwendet, nur ein kleiner Teil dieser Objekte wird für „westliche“ Museen und Sammler geschaffen. In der Region von Greater Accra gibt es mehrere Ateliers, in denen figürliche Särge hergestellt werden, die sich in ihrer künstlerischen Qualität zum Teil stark unterscheiden. Der in Ghana und auch außerhalb wohl bekannteste Sargkünstler ist Paa Joe, Kane Kweis ehemaliger Meisterschreiner. Er hat viele Jahre ein Atelier in Nungua geführt. Seit 2008 besitzt er eine neue Werkstatt in Kobina, in der Nähe von Nswam. Neben Paa Joe haben dessen Meisterschreiner Daniel Mensah (Hello) in Teshie, Eric Kpakpo in La und Kudjo Affutu in Awutu, Central Region, eine Werkstatt eröffnet. Kane Kweis jüngster Sohn Cedi Annang Kwei führt eine Werkstatt in Teshie.

Die figürlichen Särge wurden um 1970 von einer Gruppe Kalifornier im Atelier von Kane Kwei in Teshie entdeckt. 1972 hat man dessen Särge erstmals in Kalifornien als Kunstwerke ausgestellt. Aber erst seit der Ausstellung Magiciens de la Terre in Paris 1989, bei der Figurensärge aus Ghana zum ersten Mal auch in Europa ausgestellt wurden, wurde die Khane Kwei und ghanaische Sargkunst weltweit bekannt. 1994 erschien ein Bildband von Thierry Secretan, der wesentlich zu Kane Kweis Ruhm und zur Bekanntheit seiner Figurensärge im Westen beitrug. Kane Kwei, der sich in den ersten Interviews mit westlichen Journalisten als Erfinder der Figurensärge bezeichnet hatte, musste später jedoch zugeben, dass er diese Idee von jemandem anderem übernommen hatte. Kane Kwei zufolge war es sein Onkel Ataa Owuo (1904-1976), von dem er die Idee übernommen hatte. Dieser führte in den 1950er Jahren in Teshie eine berühmte Möbelschreinerei und soll Kane Kwei zufolge gelegentliche figürliche Särge oder Sänften hergestellt haben. Heute weiß allerdings niemand mehr etwas Genaueres über Ataa Owuos Werke zu berichten, und es lassen sich auch keine Fotos zu seinen Arbeiten finden. Es ist deshalb fraglich, ob dieser Möbelschreiner je figürliche Särge hergestellt hat. In Teshies Nachbarstadt La gab es jedoch noch einen weiteren bekannten Meister namens Ataa Oko, der schon vor 1950 figürliche Särge hergestellt hat. Kane Kwei hat diesen Mann gekannt, dessen Namen aber in keinem Interview verraten.

Ataa Oko wurde um 1919 in der Stadt La geboren. Zahlreichen mündlichen Quellen zufolge hatte dieser Meister bereits um 1945 damit angefangen, figürliche Särge herzustellen. Neben den mündlichen Quellen gibt es Fotos aus den 1950er und 1960er Jahren, die dies belegen. Ataa Oko wurde wegen seinen ungewöhnlichen Werke rasch in der ganzen Küstenregion berühmt. Kane Kwei und Ataa Oko lernten sich spätestens um 1970 persönlich kennen, als Kane Kwei seine zweite Frau aus Ataa Okos Haus in La heiratete und deshalb häufig in La gesehen wurde.

Ataa Oko erzählt, dass ihn eine Traumvision zu seinem ersten Figurensarg, einem Krokodil, inspiriert habe. Er hatte diesen Sarg für die Frau eines verwandten Oberhauptes hergestellt. Seine Familie freute sich allerdings gar nicht darüber. Sie hielten die Herstellung eines Krokodilsarges für gefährlich. Die Verwandten warnten ihn, er könne von einem Krokodil getötet werden, wenn er weiterhin solche Särge baue. Aber er ließ sich nicht entmutigen und träumte abermals. So entstanden nacheinander seine ersten Särge: ein Haus, ein Stuhl, ein Huhn, ein Fisch und ein Kanu. Obwohl Ataa Oko, genau wie Kane Kwei, vorgab, der erste Schreiner gewesen zu sein, der figürliche Särge hergestellt hat, war seine Erfindung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nur von einem Traum angeregt worden, denn um 1930 bis etwa 1960 waren bei den Ga figürliche Sänften in Mode, in denen sich die Oberhäupter bei wichtigen Anlässen herumtragen ließen. Ataa Oko hat seinen eigenen Aussagen zufolge solche Sänften, die den figürlichen Särgen offenbar sehr ähnlich waren, gesehen. Es ist anzunehmen, dass diese Sänften den Künstler später zu seinen Figurensärgen angeregt haben.

Ataa Oko hatte lange Zeit keinen Kontakt zu Fremden gepflegt. Seine Werkstatt befand sich abseits der großen Durchgangsstraßen und er stellte seine Särge nur für seine Familie oder für ghanaische Kunden her. Dies ist wohl der Hauptgrund, dass er und seine Werke in westlichen Kunstkreisen bis vor kurzem unbekannt blieben, weshalb Ataa Oko, unbeeinflusst vom westlichen Kunstmarkt, mit seinen Figurensärgen eine ganz eigene künstlerische Formensprache entwickeln konnte. Seine Särge unterscheiden sich nicht nur in ihrer Grundkonstruktion, sondern auch in den vom Künstler verwendeten Materialien von jenen Werken, die bis dahin in westlichen Museen und Galerien gezeigt wurden.

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